Weissstorch: Meister Adebar

Der Weissstorch gilt als Glücksbringer und Frühlingsbote. Auch bekannt als Klapperstorch oder Meister Adebar, kommt er in zahlreichen Märchen und Fabeln vor. Gegen Mitte des 20. Jahrhunderts verschwand das sagenumwobene Tier aufgrund der Industrialisierung in der Schweiz. Glücklicherweise sorgte ein Wiederansiedlungsprojekt dafür, dass der Storchenbestand im Land wieder anwuchs.

Der Ausdruck Meister Adebar kommt vom germanischen Nomen auda (Glück oder Heil) und bera (tragen, gebären). Doch wie kam der Storch zu seinem Ruf als Glücksbringer? Möglicherweise tauchte der europäische Mythos, dass der Storch die Kinder bringt, erstmals im 18. Jahrhundert auf. Volkskundige vermuten, dass der Mythos aufgrund des Tabuthemas Sexualität entstand. Angeblich soll der Storch die Kinder aus einem Brunnen holen und anschliessend der Mutter ins Bein beissen, damit sie sich ins Bett legt. Dann legt Meister Adebar das Kind in das Bett. Ein weiterer Mythos besagt, dass bei Kinderwunsch einfach ein wenig Zucker auf das Fensterbrett zu streuen sei, dann werde ein Baby gebracht.

Warum klappert der Storch?

Wer einmal einen Weissstorch beobachtet hat, erkennt rasch seine Merkmale und seine typische Verhaltensweise. Als einer der grössten Vögel Europas ist der Weissstorch von weitem erkennbar. Denn mit seinem langen Hals und den ausgestreckten Beinen erreicht er eine Grösse von stolzen 150 cm; im Flug mit den breiten Flügeln gar eine Flügelspannweite von 220 cm. Ausserdem gleitet er langsam in Kreisen, was sich durch die Thermik erklären lässt. Und wenn man ihn noch nicht gesehen hat, dann hört man vielleicht das charakteristische Geklapper in der Ferne.

Veränderter Lebensraum durch den Menschen

Ursprünglich lebte der Weissstorch auf offenen Landschaften: in natürlichen Auenlandschaften entlang von Flussniederungen. Dort konnte er als Schreitvogel gut laufen. Zudem war er besonders erfolgreich bei der Jagd auf Nahrung, weil er seine Beute schnell entdecken und leicht ergreifen konnte.

Durch menschliche Eingriffe hat sich der Lebensraum des Storchs in den letzten Jahrzehnten jedoch enorm verändert. Flussbegradigungen sowie Entwässerungen von Grünland und Feuchtgebieten sorgten dafür, dass der Storch sich an den Menschen und seine Kulturlandlandschaft anpasste. So lebt er heute auch in der modernen Agrarlandschaft und sucht seine Nahrung auf Weideland mit wenig Vieh. Weitere Nahrungsflächen sind Brachen.

Geteiltes Brüten

Im Frühling wirbt das Storchenmännchen mit einem Schreittanz und lautem Schnabelklappern um das Weibchen. Etwa einen Monat nach der Paarung legt das Weibchen dann drei bis fünf weisse Eier im gemeinsam gebauten Nest. Das Storchenpaar wechselt sich beim Brüten ab. Oft kehrt es jahrzehntelang zu seinem Horst zurück und führt eine Saison-Ehe, denn Männchen und Weibchen fliegen getrennt zu ihrem Winterquartier.

Die Jungvögel können bereits im Alter von etwa drei Monaten gut fliegen und sind selbstständig. Das Ende der Brutzeit findet statt, sobald die Jungvögel den Horst endgültig verlassen haben (Ende August).

Natürliche Feinde

Die Feinde des Weissstorchs sind der Rot- und Schwarzmilan, der Seeadler, der Marder und der Kolkrabe. Besonders die Jungvögel sind eine beliebte und leichte Beute, da sie sehr bald mit dem Klappern anfangen. So sind sie leicht aufzuspüren.

Stelzend auf Nahrungssuche

Durch Wiesen und sumpfige Landschaften schreitet der langbeinige Vogel auf der Suche nach Beute. Blitzartig stösst der lange rote Schnabel nach Fröschen, Würmern und Kleinsäugern. Der Bedarf ist hoch: Die Storchenjungen im Nest werden täglich mit mehr als einem Kilogramm Fleisch gefüttert.

Gefährdung durch den Menschen

Noch vor weniger als sechzig Jahren war der Weissstorch in der Schweiz und in vielen Regionen Europas als Brutvogel ausgestorben. Die Trockenlegung von Feuchtgebieten, die Intensivierung der Landwirtschaft sowie der zunehmende Gebrauch von chemischen Schädlingsbekämpfungsmitteln führten zum Wegfall von notwendigen Nahrungs- und Brutgebieten des Storches. Ausserdem gehören Kollisionen und Stromschläge an Freileitungen auf dem Flugweg zu den häufigsten Todesursachen. Auch ein erhöhter Jagddruck und Nahrungsmangel auf den Flugrouten und in den Überwinterungsquartieren führen dazu, dass viele Störche sterben. Die Wetterverhältnisse spielen ebenfalls eine grosse Rolle. Besonders das Überleben der Jungstörche ist sehr wetterabhängig. So kehren nur ein bisschen mehr als zehn Prozent der wegziehenden Jungstörche nach Mitteleuropa zurück. 

Wiederansiedlung in der Schweiz

Im Jahr 1948 gründete Max Bloesch, der sich seit langer Zeit für die Störche einsetzte, die erste Schweizer Storchenstation in Altreu (SO). Jungstörche wurden in die Schweiz eingeführt und über die kritischen Jugendjahre hinweg in Gehegen gehalten. Nach und nach begannen die Vögel, sich anzusiedeln und zu brüten. Zudem trugen regionale Initiativen in der Schweiz zur Wiedereinführung der Weissstörche bei: der Zoo Basel, der Tierpark Lange Erlen sowie die Storchenstationen Oberwil, Allschwil und Möhlin setzen sich für den Schutz des Weissstorchs ein.

In den neunziger Jahren wandelte sich die Strategie der Störchenschützer/-innen europaweit. So werden heute keine Weissstörche mehr in Gehegen gehalten, ausser kranke und verletzte Vögel. Sie werden auch nicht mehr gefüttert; ihre Nahrung sollen sie sich selber beschaffen können. Man geht davon aus, dass ein angepasster Lebensraum die wichtigste Bedingung ist, um den Wiederaufbau − oder den Erhalt − einer Storchenpopulation zu sichern. Priorität im Storchenschutz hat heute die Sicherung und Schaffung von artenreichen Kulturlandschaften, um dem Weissstorch angepasste Nahrungs- und Brutorte zu sichern. Eine weitere Priorität liegt auf Schutzmassnahmen der Flugroute, damit möglichst wenige Störche verletzt werden oder sterben.

Dank des Engagements zahlreicher Naturschützenden ist der Weisstorch wieder heimisch geworden. 2022 gab es in der Schweiz 887 Storchenpaare.

Des Weiteren gab es eine Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit m Storchenschutz über die letzten Jahre. Zum Beispiel versucht die Umweltstiftung Euronatur mit der Auszeichnung «Europäisches Storchendorf», positive Einsätze im Storchenschutz zu stärken. Um als Storchendorf ausgezeichnet zu werden, ist aktiver Storchenschutz seitens der Gemeindeverwaltung und der Bevölkerung nötig. 2007 wurde Altreu als europäisches Storchendorf ausgezeichnet.

Wissenschaftlicher Name: Weissstorch, Ciconia ciconia

Verwandtschaft: 

Gefährdungsstatus (IUCN): Global: LC = nicht gefährdet, Schweiz: NT= potenziell gefährdet

Merkmal: Langer, leuchtend roter Schnabel sowie lange, rote Beine

Körpergrösse: Voll aufgerichtet bis 150 cm, sonst 80 bis 110 cm; Flügelspannweite: bis 220 cm; Schnabellänge: 14 bis 19 cm.

Gewicht: 3 bis 4 kg

Alter: bis 30 Jahre

Verbreitung: Feuchtgebiete, Wiesen und Äcker, Siedlungen

Storchenflug

Ankunft CH: Februar - Juni

Abreise CH: Juli - Oktober

Flugroute: Die Vögel der Region Basel gehören zur Population der Westzieher.
Westroute über Gibraltar, Überwinterung in der Sahelzone.
Ostroute über Bosporus, Ägypten, Überwinterung in Ost- und Südafrika.

Strecke: bis 10'000 Km

Flugweise: Als grosse, schwere Langstreckenzieher verfügen die Störche über eine energiesparende Flugweise. Wie Segelflieger gleiten sie von einem thermischen Aufwind zum anderen.


Weissstörche in der Region Basel

Mitte des 19. Jahrhunderts war der Weissstorch in vielen Orten Europas ausgestorben. In Basel-Stadt brütete das letzte Weisssstorchenpaar 1907, in Baselland 1948 in Allschwil. Auch in den Nachbarregionen Elsass und Baden-Würtemberg ging der Bestand stark zurück, jedoch starb der Weisssstorch nie ganz aus.

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Texte: Isabelle Piscart

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