WWF Vernehmlassung «Entlastungspaket»

WWF Region Basel
Vernehmlassung «Entlastungspaket»
7. September 2011

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren

Für die Möglichkeit zum «Entlastungspaket» Stellung nehmen zu können, danken wir Ihnen bestens.

Allgemeine Bemerkungen
1. Effizienter Mitteleinsatz
Ein effizienter Mitteleinsatz ist eine Daueraufgabe. Wir unterstützen eine regelmässige Überprüfung der Mittelverwen­dung und eine sinnvolle Einnahmenpolitik. Auch bei einer offenbar angespannten Finanzlage des Kantons birgt das Vorgehen, ein dringliches «Entlastungspaket» zusammenzustellen, die Gefahr, dass im Spareifer Massnah­men zugestimmt wird, bei denen nicht alle Konsequenzen bedacht wurden. Zudem besteht die Möglichkeit, dass sich Massnahmen kontraproduktiv auswirken und etwa mit Einnahmenausfällen oder anderen negativen Auswirkungen verbunden sein können (vgl. ökologischer Ausgleich, Zurlindengrube). Wir würden deshalb eine zielorientierte – und nicht rein finanzorientierte – Diskussion begrüssen, die durchaus auch zur Entlastung des Haushaltes beitragen kann.

2. Mangelnde Informationen
Eine fundierte Stellungnahme ist bei allen Themen, die uns betreffen, aufgrund der spärlichen Informationen nicht möglich. Der Detaillierungsrad insbesondere der Massnahmen, die von der Regierung beschlossen werden, geht nicht über die wenigen Worte oder Sätze der Massnahmenliste hinaus. Hier hilft auch der Auskunftsdienst nicht weiter: Bei Nachfrage werden die bereits bekannten Informationen abgegeben. Problematisch ist dies insbesondere bei den 156 von 187 Massnahmen, welche die Regierung in eigener Kompetenz umsetzen kann und wozu möglicherweise keine parlamentarische Debatte stattfinden wird.

3. Keine «Opfersymmetrie»
Eine «Opfersymmetrie»[1] besteht nicht.[2] Von den 9,6 Millionen Franken Sparmassnahmen in der BUD, welche vom Landrat beschlossen werden, betreffen 6,3 Millionen den öffentlichen Verkehr. Der motorisierte Individual­verkehr (Sicherheitsdirektion) trägt gerade 2,5 Millionen Mehreinnahmen bei, indem die Geschwindigkeits­­übertretungen schärfer geahndet werden. Zwischen ÖV und MIV besteht eine eklatante Asymmetrie.
Bei den Massnahmen, die in der Kompetenz des Regierungsrates liegen, betreffen knapp 3,4 der 8,3 Millionen Franken der BUD den Natur- und Umweltschutz. Bei diesem Verhältnis – 40 % Einsparung bei einem Budgetanteil von 5 % des Natur- und Umweltschutzes – kann nicht von Opfersymmetrie gesprochen werden. Vielmehr handelt es sich um einen einseitigen Abbau im Bereich des Natur- und Umweltschutzes.

Einzelnen Massnahmen
BUD-KL-1: VK Verlegung Amphibien aus der Zurlindengrube Pratteln
Der Verlegung der Amphibien aus der Prattlemer Zurlindengrube ins Gebiet Klingenthal wird 2011 abgeschlossen. Der Verpflichtungskredit von 2,7 Millionen Franken wird Ende 2011 offensichtlich knapp zur Hälfte ausgeschöpft. Dank kostengünstiger Bauausführung konnten damit die baulichen Massnahmen weitgehend realisiert werden.
Ein Abschluss des Bauprojekts Klingenthal ist angemessen. Damit sind allerdings Begleit- und weitere Massnahmen noch nicht beendet. Das Gebiet  Klingenthal benötigt – angesichts der Siedlungsnähe – Massnahmen zur Besucherlenkung, zusätzliche Kleinstrukturen, Mittel zur Neophytenbekämpfung, insbesondere aber Mittel zur Umsiedlung der Kröten aus der Zurlindengrube mit einer Erfolgskontrolle. Zudem müssen Finanzen bereit stehen, um den Ausbau der Anlage in der Muttenzer Lachmatt finanzieren zu können. Ungeklärt bleibt die Frage des adäquaten Flächenersatzes, insbesondere der jetzigen Pufferzone von 17 Hektaren.
Diese Massnahmen sollten im Sinn des Kantonsfinanzen sein, denn bei einem Scheitern des Projekts könnte der Verkauf der Zurlindengrube für 22 bis 36 Millionen Franken in Gefahr geraten – indem etwa die Auflagen des Bundes oder rechtliche Voraussetzungen[3] einer Aufschüttung nicht erfüllt werden.
-> Auf die Entlastungsmassnahme sei zu verzichten. Eine Beurteilung kann nur aufgrund umfassender Informationen vorgenommen werden.

BUD-KL-4: Verkauf Schloss WildensteinBUD-KL-38: Verkauf Gutshof Wildenstein
Mit dem Verkauf des Schlosses will der Kanton den Aufwand für Instandhaltung und Unterhalt um jährlich 379'000 Franken reduzieren. Der Kanton will eine neue Trägerschaft prüfen, dabei soll Schloss Wildenstein weiterhin der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.
Die Frage stellt sich, wie eine private, wirtschaftliche Nutzung des Schlosses möglich sein kann, wenn es gleichzeitig weiterhin der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen muss und im Gebiet sämtliche Naturauflagen berücksichtigt werden sollen? Falls dies möglich wäre, könnte dies auch vom Kanton übernommen oder in einem Pachtverhältnis gelöst werden. Eine Übergabe an eine Stiftung der 1995 vom Kanton erworbenen Liegenschaft kann Sinn machen. Doch sollte dies im Wissen um die Rahmenbedingungen, insbesondere um die Art der wirtschaftlichen Nutzung erfolgen, damit deutlich wird, dass damit keine Beeinträchtigung des Naturschutzgebietes verbunden ist. (Golfplatz?)
Mit dem Verkauf des zugehörigen Gutbetriebs will der Kanton jährlich 56'000 Franken sparen. Schloss und Gutshof bilden jedoch eine (jahrhundertealte) Einheit, zu der das 106 Hektaren grosse Naturschutzgebiet mit dem einmaligen Eichenhain gehört. Dieses Kleinod von nationaler Bedeutung muss erhalten bleiben und darf nicht aus der (öffentlichen) Hand gegeben werden.
-> Auf die Entlastungsmassnahme sei zu verzichten. Eine Beurteilung kann nur aufgrund umfassender Informationen vorgenommen werden.

BUD-KL-8: Abgeltungen für Unterschutzstellungen ausser „Landerwerb“ auf 100'000 Franken herunterfahren
Die Abgeltungen für Unterschutzstellungen im Offenland sollen offenbar von heute 380'000 auf 100'000 Franken reduziert werden. Damit bleiben die bisherigen Aktivitäten gewahrt. Neue Verträge können jedoch keine abgeschlossen werden. Diese Massnahmen trifft den Kern des Naturschutzes, den Erhalt der Biodiversität, der gerade im Offenland den grössten Nachholbedarf besitzt, und sie wiederspricht verschiedenen Zielsetzungen des Kantons. Offen bleibt auch die Frage bezüglich der Umsetzung im Bereich der Bundes-TWW-Gebiete.
-> Auf die Entlastungsmassnahme sei grundsätzlich zu verzichten.

BUD-KL-13: Unterhalt Wasserbau: Kürzung des baulichen Unterhalts um 200'000 Franken
Das Budget für baulichen Unterhalt soll auf 1,1 Millionen Franken gekürzt werden. Dies bedeutet Einschränkungen bei Revitalisierungsmassnahmen und bei der Wiederherstellung zur Fischgängigkeit. Diese Massnahmen widersprechen grundsätzlich den Anforderungen des Bundes im Rahmen des revidierten Gewässerschutzgesetzes und sind – insbesondere angesichts des dringenden Handlungsbedarfs – nicht tragbar.
-> Auf die Entlastungsmassnahme sei grundsätzlich zu verzichten.

BUD-KL-26: VK ökologischer Ausgleich (2009-2013) wird um 116'000 Franken gekürzt.
Offenbar soll im Bereich Abgeltungsbeiträge um 116'000 Franken gekürzt werden. Folge davon ist, dass keine neuen Verträge abgeschlossen werden können und eventuell sogar bestehende Verträge gekündigt werden müssen. Ob damit der Kanton das Vernetzungskonzept umsetzen und die Kriterien der Ökoqualitätsverordnung erfüllen kann, bleibt offen. Möglich ist, dass der Bund den heutigen Beitragssatz senkt, da die Objekte nicht den ÖQV-Kriterien entsprechen.
-> Auf die Entlastungsmassnahme sei grundsätzlich zu verzichten.

BUD-KL-29: Programm Naturschutz im Wald um jährlich 100'000 Franken gekürzt
Der jährliche Betrag von 1'910'000 Franken gemäss Verpflichtungskredit soll um 100'000 Franken gekürzt werden. Die Kürzung kann im Sinne der Sparsymmetrie akzeptiert werden, insbesondere auch da bezüglich der Massnahmen wenig Transparenz besteht. Abzuklären ist jedoch, ob durch diese Kürzung nicht Leistungsvereinbarungen mit dem Bund verletzt werden und daher Bundessubventionen gekürzt werden könnten.
-> Wir akzeptieren die Einsparung im Sinne der Sparsymmetrie.

BUD-KL-32: Sicherheitsholzerei
Bei der Sicherheitsholzerei sollen jährlich 80'000 Franken gestrichen werden. Bisher wurde betont, die Sicherheits­holzerei sei dringend nötig. Offenbar besteht diese Dringlichkeit nicht. Durch die Sicherheitsholzerei entlang der Baselbieter Strassen wurden ganze Landschaftszüge verändert. Ob die grossflächigen Schläge derart massiv notwendig sind oder ob nicht ein subtileres Vorgehen sinnvoll ist, ist schwer zu beurteilen.
-> Wir begrüssen die Einsparung; allenfalls besteht grösseres Einsparpotential.

BUD-KL-33: Waldförderungsprogramme streichen
Mit Kürzungen beim Naturschutz im Wald, bei der Walddauerbeobachtung sowie beim Natur- und Landschaftsschutz sollen 2012 weitere 50'000 und ab 2013 70'000 Franken gespart werden. Es bleibt unklar, was damit gemeint ist.
-> Auf die Entlastungsmassnahme sei zu verzichten. Eine Beurteilung kann nur aufgrund umfassender Informationen vorgenommen werden.

Personelle Entscheide
BUD-KL-3: Reduktion Sollstellen
Der Gesetzesvollzug im Umweltschutzbereich soll «personell optimiert» werden und es sollen in zwei Jahren 500'000 und 2014 800'000 Franken gespart werden. Ein zentrales Problem im Umweltschutz ist gerade der Vollzug. Dies Massnahmen sind nicht nachvollziehbar und wird nicht begründet.
-> die Entlastungsmassnahme sei zu verzichten. Eine Beurteilung kann nur aufgrund umfassender Informationen vorgenommen werden.

BUD-KL-11: Optimierung Personaleinsatz und Abbau Massnahmenplanung / Planungsgrundlagen / Erfolgskontrollen
-> Auf die Entlastungsmassnahme sei zu verzichten. Eine Beurteilung kann nur aufgrund zusätzlicher Informationen vorgenommen werden.

BUD-1 Senkung des Angebots an wenig wirtschaftlichen ÖV-Linien
Die meisten Buslinien im oberen Baselbiet, diverse Linien im Laufental, die Linien 62 (Biel-Benken/Arlesheim) und 68 (Ettingen/Aesch) und das Angebot der Bahnlinie Sissach-Läufelfingen-Olten sollen reduziert werden. Problem ausgedünnter Angebote ist, dass sie einen Umsteigeffekt bewirken können, auch für Personen, die nicht direkt von der Angebotsreduktion betroffen sind. Somit kann sich eine unerwünschte Eigendynamik entwickeln. Massnahmen zur Angebotsreduktion müssen im Rahmen der Verkehrsplanung und dem adäquaten Mitteleinsatz und nicht im Zusammenhang mit Sparprogrammen beurteilt werden.
-> Auf die Entlastungsmassnahme sei zu verzichten.

BUD-2 Erhöhung Kostendeckungsgrad Öffentlicher Verkehr
Die Tarife des U-Abos sollen erhöht werden und es soll eine Zonierung eingeführt werde. Das U-Abo ist ein Erfolgprodukt und es trägt zur wirtschaftlichen Dynamik der Region bei. Veränderungen im Gefüge, gegen die wir uns nicht grundsätzlich sträuben, dürfen nicht einfach aufgrund der Einnahmenmaximierung erfolgen, sondern haben die grösseren Zusammenhänge zu berücksichtigen. Eine Zonierung des U-Abos sollte zum Beispiel diskutiert werden im Zusammenhang mit einem Belastungsausgleich zwischen Nahverkehrer und Fernpendlern, nicht aber mit den alleinigen Ziel der Einnahmenoptimierung.
-> Auf die Entlastungsmassnahme sei zu verzichten.

Wir danken Ihnen für die Möglichkeit zur Teilnahme an der Vernehmlassung und verbleiben
mit freundlichen Grüssen

Jost Müller
Geschäftsführer WWF Region Basel

 


[1] «Die Entlastungen werden auf möglichst viele Schultern verteilt. Keine Anspruchsgruppe wird übermässig belastet.» Fragen und Antworten zum Entlastungspaket 12 / 15, S. 1
[2] Vgl. Abgestützt auf den Darlegungen von Mirjam Würth, Medienorientierung vom 31. 8. 2011
[3] Eine Aufschüttung bedingt: standortgebundenes Vorhaben, überwiegend öffentliches Interesse von nationaler Bedeutung; AlgV Art. 7

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