Jost Müller Vernier geht in Pension

Ende Februar ist Schluss: Nach mehr als 21 Jahren als Geschäftsführer des WWF Region Basel wird Jost Müller in Pension gehen. Ein Portrait von Jost Müller und eine Tour d’Horizon mit ihm.

Wer Jost Müller kennenlernt, erlebt einen geistreichen, witzigen, jovialen Menschen mit den Zügen eines geselligen Bonvivants. Wie so oft ist der erste Eindruck weder ganz falsch noch ganz richtig. Müller ist auch ein zielstrebiger, emsiger und beharrlicher Schaffer. Und sein Humor, manchmal ironisch eingefärbt, kann etwas bissig werden. Seriosität und Ironie, Genussmensch und Kämpfer ‒ Müller balanciert die scheinbaren Widersprüche in seiner Persönlichkeit aus.

Ausbildung und berufliche Stationen

Nach seinem Studium (Geschichte, Deutsche Literatur, politische Philosophie), engagierte sich Jost Müller beruflich zunächst im Dritte-Welt-Bereich, danach im Natur- und Umweltschutz. Berufsbegleitend absolvierte er das Nachdiplomstudium Umweltlehre an der Universität Zürich. Müller war Leiter Publizität bei der Schweizerischen Gesellschaft für Umweltschutz SGU (heute Equiterre), anschliessend Geschäftsführer der Schweizerischen Gesellschaft für biologischen Landbau (heute Bioterra) sowie Projektleiter und Teilhaber bei der Beratungs- und Planungsfirma oekoskop.

Im November 2001 übernahm Jost Müller die Geschäftsführung des WWF Region Basel. Am Anfang war das eine 40-Prozent-Stelle, ein Nebenjob.

«Ich wollte mich in einem sinnvollen Bereich engagieren»

Man könnte vermuten, dass die Umweltkatastrophen des Jahres 1986, Tschernobyl und Schweizerhalle, Schlüsselerlebnisse für Jost Müller waren, die ihn auf den Weg Richtung Natur- und Umweltschutz gebracht haben. «Nein», sagt Müller, «dieser Weg war vorgespurt. Tschernobyl und Schweizerhalle waren äussere Bestätigungen für den gewählten Weg. Vor allem ging es mir darum, mich in einem sinnvollen Bereich zu engagieren. Das hätte auch eine Tätigkeit im Verbandsmanagement im sozialen oder im entwicklungspolitischen Bereich sein können.»

Es geschah aber im Umweltbereich. Seit 21 Jahren ist Jost Müller nun Geschäftsführer des WWF Region Basel.

«Die Organisation hatte in ihrer bald fünfzigjährigen Geschichte bis heute nur zwei Geschäftsführer. Auch im Vorstand haben wir eine grosse Kontinuität. Die verstorbene Jacqueline Halder hat als Präsidentin viel geleistet für den WWF Region Basel. Und Véronique Andreoli hat sich sehr dafür eingesetzt, dass die finanziellen Beiträge an die Sektion nicht halbiert wurden. Dorothea de Gruyter zum Beispiel ist unsere verdiente Baumschutzexpertin. So akkumulieren sich natürlich Wissen, Erfahrung und Kompetenz. Die langen Amtszeiten zeigen auch, dass es befriedigende Arbeit ist und dass es bis jetzt zwischenmenschlich immer geklappt hat. In Zukunft geht es darum, dass der WWF Region Basel seine Eigenständigkeit und Schlagkraft bewahren kann.»

«Beim WWF hatte ich grossen Handlungsspielraum ‒ mit ein Grund, warum ich so lange geblieben bin.»

Genügend Stosskraft?

Hat die Organisation genügend Stosskraft, kann sie sich durchsetzen? «Inhaltlich sind wir eine anerkannte Kraft in den vielen Bereichen. Das ist ja eine grosse Breite. Wir können auf dem Niveau mithalten, das nötig ist, um etwas zu erreichen. Das müssen wir ja: Wenn wir finden, das Projekt berücksichtige den Natur- und Umweltschutz nicht genügend, müssen wir das aufzeigen können und genau benennen, was noch nötig und möglich wäre.»

Vor zwanzig Jahren lancierten Natur- und Umweltschutzorganisationen eher einen moralischen Aufruf für dieses oder jenes Anliegen. Heute gelten ganz andere Anforderungen. Die Organisationen müssen auf der Sachebene kompetent argumentieren können.

«Es ist sicher sinnvoll, Wieselburgen zu bauen oder dafür zu sorgen, dass Frösche und Kröten nicht überfahren werden. Unser Kerngeschäft ist es aber, auf planerischer und gesetzlicher Ebene etwas zu erreichen. Eigene Naturschutzprojekte verfolgen wir nicht.»

Erfolge und Misserfolge

Was waren die grössten Erfolge des WWF Region Basel in der Zeit von Jost Müller? «Bei Erfolgen ist man ja nie allein, im Gegensatz zu Misserfolgen. Folgenreich in Basel-Stadt war sicher unser Einsatz gegen die ‹Stadtrandentwicklung Ost›.» Unter diesem Titel waren zwölf Hochhäuser in der Grünanlagenzone zwischen Rankhof und Hörnli geplant. Am 28. September 2014 wurde das Projekt in einer Volksabstimmung knapp abgelehnt. «Das war ein klassisches Zersiedlungsprojekt. Da hatte man auf dem Stadtplan geschaut, wo es noch grün ist, und dann gesagt: «Aha! Hier bauen wir.»

«Mit diesem Referendum haben wir zusammen mit andern Organisationen und Personen einen wesentlichen Impuls für die künftige Entwicklungsrichtung der Stadt gegeben. Wir sehen ja jetzt, wie grosse Areale, etwa Klybeck oder Lysbüchel, umgenutzt werden. Der Druck, solche bisher schlecht genutzte Flächen zu entwickeln, wäre nie so gross geworden, wenn man im Grünraum am Stadtrand zwölf Hochhäuser hätte bauen können.»

Wichtig für das Baselbiet sei, so Müller, dass der Kanton nun endlich die Totalwaldreservate angegangen sei, die Waldgebiete also, in die man nicht eingreift und wo dadurch ganz urtümliche Lebensgemeinschaften entstehen. «Ich glaube, das ist zu einem guten Teil ein Verdienst des WWF Region Basel, dass diese Reservate jetzt wirklich ernst genommen werden. Viel erreicht haben wir auch für die Birs, zusammen mit dem verlässlichen Verbündeten Urs Campana, ehemals Präsident des Baselbieter Fischereiverbandes.»

Und was waren die grössten Misserfolge des WWF Region Basel in der Zeit von Jost Müller? «An Misserfolge erinnert man sich natürlich nicht so gut … Man nimmt das als Herausforderung. Sicher ist, dass einige Dinge unendlich lange gedauert haben. Die Unterschutzstellung wertvoller Naturgebiete im Kanton Basel-Stadt zum Beispiel: Da bin ich nun seit über zehn Jahren dran. Kürzlich sind die ersten vier solchen Naturgebiete kantonal geschützt worden, aber noch keines im Wald. Eine traurige Sache.»

«Oder die basellandschaftliche Kommission ‹Naturschutz im Wald›: Da geschieht seit über zehn Jahren nichts, die Kommission tagt gar nicht. Da haben wir bisher nichts bewirken können.»

«Effizient, präzis und kompetent»

Was haben Jost Müller und der WWF Region Basel besonders gut gemacht? «Wir sind effizient. Wir sind präzis in unseren Aussagen und Forderungen. Und ich denke, wir sind kompetent. Ich glaube, wir haben es geschafft, diese drei Faktoren zu verknüpfen. Und wir haben ja kleine Pensen, es ist nicht viel Geld vorhanden. Ich bin es, der zusammen mit freiwilligen Helfern und Helferinnen die Eingaben, Vernehmlassungsantworten und Einsprachen schreibt.»

Der WWF Region Basel habe, ist Müller überzeugt, die Organisationsform gewählt, die den geringsten Aufwand erfordert. Vieles sei extern vergeben. «Wenig interne Kommunikation, rasche Entscheide.»

«Wir haben zurzeit hundert laufende Dossiers. Vielleicht hätten wir uns beschränken sollen. Wenn ich aber hinschaue, habe ich den Eindruck, dass doch alle hundert nötig und wichtig sind. Wenn wir uns irgendwo gegen das Fällen dreier Bäume einsetzen, geht es uns weniger um diese drei bestimmten Bäume, sondern darum, eine Verhaltensänderung der Behörden zu erwirken. Die Stadt hatte sich das Ziel ‹Erneuerung des Baumbestandes› gesetzt. Wir haben uns gegen diesen Ansatz gestellt, der dem Baumschutzgesetz widerspricht, da gerade alte und grosse Bäume besonders schützenswert sind. Vor diesem Hintergrund ist unser Einsatz gegen die Fällung einzelner Bäume zu sehen.»

Ausblick

Jost Müller glaubt, dass er ohne Mühe loslassen und in Pension gehen kann. «Ich bin der ‹jardinier de la reine›», schmunzelt Müller. «Meine Frau sagt mir, was sie will – Blumen, Gemüse, Früchte. Ich pflanze es.» Weiter hat der Kunst- und Reisebeflissene seine Familie und ein Haus, bleibt in Vereinen und Clubs aktiv und kann mehr lesen und wandern. «Die Gefahr besteht eher, dass ich mich zu rasch in ein neues Projekt werfe. Ich kenne das. Dann komm ich nicht mehr raus. Ich gehe das gelassen an.»

 

Markus Bär
Erschienen im WWF Magazin Region Basel November 2022.


Weitere Informationen:

Laufende Projekte des WWF Region Basel Ende 2022

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