Im umweltaktiven (Un)ruhestand

Der Ingenieur Matthias Rapp war Verkehrsplaner, Direktor der Rapp-Gruppe und Landrat. Jetzt ist er pensioniert. Und aktiv für den Landschaftsschutz.

Zuerst fällt seine Körpergrösse auf, der 71-Jährige misst über ein Meter neunzig, dann seine Freundlichkeit. Matthias Rapp strahlt Lebensfreude, Ruhe und Verbindlichkeit aus.

Seit 2011 arbeitet Matthias Rapp ehrenamtlich zu vierzig Prozent als Experte und Projektleiter für die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (SL). Welche Expertise kann der rege Rentner da einbringen? Rapp ist promovierter Ingenieur. Er leitete von 1976‒1996 die Rapp-Gruppe. Viele in der Schweiz kennen diese Basler Firma von der Heizkostenabrechnung her. Messen und Abrechnen ist aber nur eines der vielen technischen Tätigkeitsfelder der Rapp-Gruppe. 450 Architekten, Ingenieurinnen und andere Spezialisten planen und realisieren Logistikgebäude, Verkehrs- und Transportlösungen, Versorgung und Entsorgung, Gebäudetechnik, Arealentwicklung.

Matthias Rapps Projekte lagen immer in den Bereichen Verkehrsplanung, Logistik und Energieversorgung. Er war massgeblich an der Entwicklung der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe LSVA, an der Evaluierung des Konzepts Mobility Pricing, an der Entwicklung der Dosierungsmodelle für den Schwerverkehr am Gotthard und am San Bernardino sowie einer ganzen Reihe ähnlich gelagerter Projekte im In- und Ausland beteiligt.

Gegen unnötige Schneisen im Wald …
Von 1979 bis 1991 sass Matthias Rapp im Landrat. Er war Mitglied der FDP, kehrte der Partei aber den Rücken, als sie sich gegen das Verbandsbeschwerderecht stark machte. Der Angriff auf die Einsprachemöglichkeiten der Umwelt-, Natur- und Heimatschutzorganisationen wurde abgewehrt: Das Schweizer Stimmvolk sprach sich im Herbst 2008 mit Zweidrittelsmehr für die Beibehaltung des Beschwerderechts aus.

Eine seiner Hauptaufgaben bei der SL ist die Prüfung von landschaftsschützerisch heiklen Baugesuchen. Wenn Projekte bewilligt werden, die landschaftsschädigend sind, prüft Rapp, ob Einsprachen oder Beschwerden möglich sind, ob es eine rechtliche Handhabe gibt. Oft geht es dabei um touristische Projekte wie Seilbahnen, Resorts, Aussichtsplattformen. Ein aktuelles Beispiel ist die Sesselbahn Heimberg‒Proschieri im Bündnerland. Die Umweltverbände (WWF Graubünden, Pro Natura Graubünden, SL und Mountain Wilderness) halten die Sesselbahn für unnötig. Besonders stossend findet Rapp den horizontalen Abschnitt durch das Erholungsgebiet zwischen Parpan und der Passhöhe Valbella. Da sollen 5000 Quadratmeter Wald abgeholzt werden, einzig damit Touristen durch die Schneise schweben können statt in fünf Minuten zu Fuss von einer Talseite zur andern zu gelangen. Das Projekt wurde trotz der Einsprachen vom Bundesamt für Verkehr genehmigt. Da der Wald keinen speziellen Schutzstatus hat ‒ an anderer Stelle aufforsten genügt ‒ wäre ein Weiterzug ans Bundesverwaltungsgericht aussichtslos.

… und Riesenspargeln auf markanten Höhenzügen
Viel zu tun in der Region Basel gab die Frage der Windkraftnutzung. Wie der WWF befürwortet auch die SL die Windkraft als erneuerbare Energiequelle. Beide Organisationen wenden sich gegen den Bau von Windkraftanlagen in oder in unmittelbarer Nähe zu nationalen und kantonalen Naturschutzgebieten. Problematisch sind auch die BLN-Gebiete (Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung). Beide Organisationen wollen störungsempfindliche Vogelarten, Fledermäuse sowie die Vogelzugrouten geschützt sehen.

Der WWF betont den Biodiversitätsgedanken stärker. Die SL ihrerseits legt mehr Gewicht auf die ästhetischen Aspekte. So sollen Höhenzüge, die Teil einer Landschaftssilhouette sind, nicht mit Windrotoren und ihren Masten «verspargelt» werden.

Zusammen mit dem WWF Region Basel und anderen Organisationen hat sich die SL für eine umweltverträgliche Planung der Windkraftnutzung in Baselland engagiert. Im ersten Entwurf des Richtplans seien extrem viele Standorte ausgeschieden worden ‒ nicht zuletzt in BLN-Gebieten. Auf Druck der Umweltverbände hat die Verwaltung dann die Standorte in BLN-Gebieten aus der Planung herausgenommen. Jedenfalls «in erster Priorität» sollen keine Windparks in BLN-Gebieten geplant werden. «Da mussten wir uns sehr einsetzen, die Verwaltung und die Elektrizitätswirtschaft hatten anfänglich grosse Mühe mit unseren Anliegen.» An einer Veranstaltung gab Urs Steiner, Geschäftsführer der Elektra Baselland, Anfang Februar 2014 die Zusage: «Wir werden keine Windanlagen in BLN-Gebieten bauen, selbst wenn es sich um die wirtschaftlich attraktivsten Standorte handeln sollte.»

«Das ist ein Erfolg! Das ist unser Erfolg!», freut sich Matthias Rapp noch ein Jahr später. Aber was heisst «in erster Priorität»? Kommen die Windanlagen in BLN-Gebieten dann später durch die Hintertür doch noch? «Ich rechne nicht damit», gibt sich Rapp zuversichtlich. «Ich hoffe stark, dass wir bis dahin bessere Alternativen haben als den Ausbau der Windkraft auf unseren Jurahöhen.» Die Windkraft funktioniere in der Schweiz, die kein «Windland» sei, nur mit Grossanlagen. Diese hätten eine Gesamthöhe von 180 Metern. «Schauen Sie da hinüber zum Gempenstollen. Der Aussichtsturm ist knapp 28 Meter hoch. Ein Mast mit Windrotor wäre dann sechseinhalbmal so hoch wie der Turm, deutlich höher als die ganze Gempenfluh!»

Das Zauberwort in diesem Zusammenhang heisst «Massstäblichkeit». Diese sieht Rapp in solchen Fällen klar verletzt. «Wir helfen gerne mit, Standorte zu suchen, die weniger landschaftsschädigend sind.»

Kein schlechtes Gewissen
‒ trotz Kompromissen

Wie kam Matthias Rapp zum Landschaftsschutz? «Der Landschaftsschutz spielte immer eine grosse Rolle in unserer Familie.» Seine Grossmutter hatte eine Stiftung gegründet, um die Gärten rund um das Dorf Soglio im Bergell vor dem Überbautwerden zu bewahren. Das habe er immer mit Interesse verfolgt. Rapps Frau stammt auch aus dem Bündnerland, und in ihrem Dorf sei der Konflikt zwischen landwirtschaftlicher Nutzung und der Überbauung mit touristischen Infrastrukturen stark spürbar.

Hat Rapp etwas gutzumachen aus seinem Berufsleben? Das glaubt er nicht. Er denkt, er habe in seiner Arbeit ökologische Anliegen berücksichtigen und einbringen können. Und in der FDP habe er zum grünen Flügel gehört, den es damals in dieser Partei noch gegeben habe. In seinem ersten Vorstoss im Landrat, erinnert sich Rapp, ging es um die Einführung von Wohnstrassen.

Aber den einen oder andern Kompromiss habe er sicher eingehen müssen, gibt er zu. Als Beispiel nennt er die Einrichtung der PEZA, der provisorischen erweiterten Zollanlage beim Autobahnzoll Basel‒Weil. Da wurde für einen Ausstellplatz zur Dosierung des Schwerverkehrs ein Teil des ehemaligen Rangierbahnhofs der Deutschen Bahn geopfert, auf dem sich ökologische Nischen mit Pionierpflanzen, Insekten und spezialisierten Kleinlebewesen entwickelt hatten. «Da ging es schon um eine Interessenabwägung zwischen Naturschutz und Verkehrsplanung.»

Beim Spaziergang an der Birs betont Matthias Rapp, was ohnehin klar geworden ist: Er ist glücklich in seiner Aufgabe für die SL. Jetzt kann er tun, was ihm liegt und was er gerne macht ‒ «ohne Zwänge von Auftraggebern».

Text: Markus Bär

Zuerst erschienen im WWF Magazin Region Basel vom März 2015.

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