Die geheimnisvolle Geschichte des Aals

Der Aal gilt als eine der geheimnisvollsten Arten unter den einheimischen Fischen. Heute ist er vom Aussterben bedroht. Für die Rettung dieses einzigartigen Fisches müssen die ursprünglichen Wanderwege wieder geöffnet und die Bestände nachhaltig geschützt werden. Davon profitieren auch andere bedrohte Fischarten.

Lebensraum und Lebenszyklus

Der europäische Aal hat sich geographisch sehr weit verbreitet. Sein aktuelles Verbreitungsgebiet umfasst die Atlantische Ostküste von Skandinavien bis Westafrika nach Marokko, die Küsten der Ostsee, des Mittelmeers und des Schwarzen Meeres. Ein Teil der Fische bleibt in den Küstengewässern, andere wandern über Flüsse und Bäche weit ins Landesinnere. Der Lebensraum des Aals in der Schweiz umfasste ursprünglich alle Gewässer, die mit Rhein, Rhône und Ticino vernetzt waren. Der Hochrhein zwischen Basel und dem Bodensee ist aktuell der wichtigste Lebensraum für die Aale in der Schweiz.

Als anpassungsfähiger Fisch ist der Aal sowohl in kleinen Bächen als auch in grossen Seen anzutreffen. Seine Nahrung erbeutet er mit Hilfe seines sehr gut ausgebildeten Geruchssinns vorzugsweise als nachtaktiver Räuber und frisst dabei Würmer, Schnecken, Insektenlarven, Krebse, Fische und Frösche. Aale kommen nebeneinander im gleichen Gewässer in zwei Ernährungsvarianten vor, welche genetisch identisch sind: Der Spitzkopfaal ernährt sich vorwiegend von Krebsen und anderen Wirbellosen. Der Breitkopfaal ist ein Fischjäger. Die ausgezeichnete Nase nutzt der Aal übrigens auch für die Orientierung auf seinen langen Wanderungen. Zum Versteck ist der Aal angewiesen auf strukturreiche Gewässer mit Felsspalten, Steinen, Höhlen, Totholz, Wasserpflanzen und unterspülten Ufer. Der Aal gehört zum Naturerbe der Schweiz und ist aufgrund seiner Lebensraumansprüche ein wertvoller Indikator für den Zustand unserer Gewässer.

Das Laichgebiet des Aals ist die Sargassosee östlich Floridas. Dieses Meeresgebiet bildet hier einen grossen Strudel des Antillenstroms, welcher vor der nordamerikanischen Küste zum Golfstrom wird. In dieser Region findet man die kleinsten Aal-Larven, d.h. hier müssen sie schlüpfen und man vermutet, dass sich die Aale in einer Tiefe von bis zu 2000 Metern fortpflanzen, ablaichen und die Erwachsenen Tiere erschöpft sterben. Kein Mensch hat bis jetzt die Fortpflanzung oder das Schlüpfen des Aal-Nachwuchses beobachtet. Nach dem Schlüpfen werden die Aal-Larven dank ihrer Weidenblattform vom Golfstrom passiv in Richtung Europa verfrachtet. Diese Atlantiküberquerung der Weidenblattlarven dauert zwei bis drei Jahre und diese erreichen als sogenannte Glasaale (transparente Färbung, 6 - 8 Zentimeter gross) die Küsten und Flussmündungen. Hier siedeln sich die jungen Aale an oder sie wandern nach einer Metarmorphose zum pigmentierten Steigaal in die Fliessgewässer auf. Dabei überwinden die Aale kletternd auch den Rheinfall bei Schaffhausen (!) und diverse Stauwehre. Nach sieben bis neun Jahren Wanderung aus ihrem Laichgebiet in der Sargassosee erreichen die Aale über den Rhein die Schweiz mit einer Grösse von 35 bis 45 Zentimetern. Als sogenannte Gelbaale fressen und wachsen die Fische je nach Futterangebot und klimatischen Bedingungen bis zu zwanzig Jahre, bis sie stark genug sind für die Wanderung zurück zu ihren ursprünglichen Laichplätzen. In den Schweizer Gewässern werden sie 40 bis 100 Zentimetern lang. Aalweibchen werden mit 12 bis 15 Jahren geschlechtsreif, Männchen in einem Alter von sechs bis neun Jahren. 

Bereit für seine Hochzeitsreise, erfolgt eine Verwandlung des Aal-Körpers und er wird zum Blank- oder Silberaal. Mit silbrig-weiss verfärbtem Bauch, dunklem Rücken und grossen Augen wandert er als katadromer Wanderfisch über den Rhein in die Nordsee, über die Rhone und den Ticino und Po hinunter über das Mittelmeer in den Atlantik und schwimmt von dort aus gegen den Golfstrom in Richtung seines Laichgebietes und Geburtsortes in der Sargassosee. Sobald die Aale das Meer erreicht haben, schwimmen sie tagsüber in kühlerem Wasser in der Tiefe, nachts steigen sie auf in wärmere Oberflächenschichten. Innerhalb eines Jahres durchqueren sie den Atlantik und legen dabei rund 6000 Kilometer zurück. Im Laufe ihres Lebens legen Aale auf ihrer Hin- und Rückwanderung insgesamt etwa 10’000 Kilometer zurück. Der komplexe Lebenszyklus des Aals ist auf untenstehender Grafik illustriert.

Gefährdung und Förderung

Vor der Industrialisierung gehörten die Aale zu den häufigsten Fischen in der Schweiz. Mit der starken Verbauung und Kanalisierung des Rheins, der Rhône und des Ticino zur Nutzung der Wasserkraft nahm die Anzahl der Aal-Aufstiege rasch ab. Bei so vielen künstlichen Wanderhindernissen durch die Stauwehre schaffen nur noch wenige Exemplare erfolgreich den Aufstieg. Bei der Abwanderung der Aale werden an den Turbinen der Wasserkraftwerke viele Tiere verletzt und getötet. Mit Ausnahme der Schweiz ist der Aal in Europa ein sehr begehrter Speisefisch und deshalb durch die Überfischung bedroht. Zudem jagen Fisch fressende Vögel und Raubfische wie der Wels den Aal. Auch sind Aale empfindlich gegenüber Gewässerverschmutzungen aus landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten. Auch die Gewässerbelastungen durch Pestizide und Medikamentenrückstände sind für langlebige Fische wie den Aal ein Gesundheitsrisiko.

Als Reaktion auf den starken Rückgang von fortpflanzungsfähigen Aalen ist der Aalfang im EU-Raum seit 2007 stark eingeschränkt oder verboten. In der Schweiz gilt der Aal seit dem 1.1.2021 als «vom Aussterben bedroht». Somit gilt schweizweit ein Aal-Fangverbot und der Aal wird dadurch strenger geschützt. Die heutzutage noch vorkommenden Aale stammen vorallem aus Besatzmassnahmen. So wird beispielsweise in Deutschland der Rhein und seine Zuflüsse als Kompensation künstlich besetzt. Für die Wiederherstellung des Fischabstieges wurden in der Schweiz diverse Pilotprojekte gestartet, und für die Abwanderung des Aals wurde spezifisch für die Situation bei den Wasserkraftwerken am Hochrhein eine Studie erstellt.

Wissenschaftlicher Name: Europäischer Aal, Anguilla anguilla

Verwandtschaft: Drei genetisch unterschiedliche Subpopulationen des Europäischen Aals: Nordeuropäische (Island)-, Westeuropäische (Ostsee, Mittelmeer und Schwarzes Meer)- und Südliche Subpopulation (Marokko). Gattung Anguilla mit etwa 15 Arten weltweit.

Gefährdungsstatus (IUCN): Global: CR = vom Aussterben bedroht, Schweiz: CR = vom Aussterben bedroht

Gefährdungsstatus gemäss Verordnung zum Bundesgesetz über die Fischerei (VBGF): 1 = vom Aussterben bedroht

Merkmal: Schlangenähnliche Körperform, dicke Haut mit winzigen Schuppen, von einer starken Schleimschicht überzogen. Durchgehender Flossensaum aus Rücken-,Schwanz- und Afterflossen, fehlende Bauchflossen

Körpergrösse: Erwachsene Weibchen maximal 135 cm, Männchen maximal 120 cm

Gewicht: Maximal 6 kg

Alter: 15 bis 20 Jahre, maximal 23 Jahre

Verbreitung: Atlantik, Atlantische Küste von Skandinavien bis Marokko, Ostsee, Schwarzes Meer und Mittelmeer. Flüsse des Nordatlantiks, der Ostsee und des Mittelmeeres. Kontinuierliche Besiedlung in Asien, Zentral- und Südamerika. Laichgründe im Westatlantik (Sargassosee).

Tobias Walter, 2022

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