Kaum zurückgekehrt und schon zu viele

Am 2. April 2008 wurde das Luchsweibchen ALMA aus dem Solothurner Jura im Kanton St. Gallen freigelassen. Die Freilassung eines zweiten Luchses soll in den nächsten Wochen erfolgen.

Was hat dies zu bedeuten?

Im letzten Winter haben Biologinnen und Biologen im nordöstlichen Jura mittels Fotofallen Luchsbestände erhoben (Luchse unterscheiden sich anhand der verschiedenen Fellmuster): die durchschnittliche Dichte von 1.1 selbständigen Luchsen pro 100 Quadratkilometer belegt, dass es der Luchspopulation im Jura gut geht.
Schon regt sich der Widerstand, der Rehbestand sei durch den Luchs gefährdet. In der Tat: Reh und Gämse machen rund 88 % der Luchsnahrung aus, neben Füchsen und gelegentlich leider auch Haustieren.

Die Jagd auf Schafe und Ziegen wurde ihm vor 100 Jahren schon einmal zum Verhängnis. Übernutzte Wälder, ausgelöst durch Abholzung oder Beweidung, und Überbejagung der Paarhufer (Reh, Gämse, Rothirsch, Wildschwein, Steinbock) nahmen dem Luchs einerseits seinen deckungsreichen Lebensraum, er ist ein ausgesprochener Waldbewohner, und andererseits seine traditionellen Beutetiere. Was blieb ihm übrig als sich während der Alpzeit bei Schafen und Ziegen zu bedienen. Äusserst schwierig gestaltete sich jeweils die Nahrungssuche im Winter, da sich die Haustiere dannzumal in den Ställen befanden.

Seit einiger Zeit stellen wir besonders in den Gebirgen einen Gegentrend fest: die Waldflächen und die für eine intensive Landwirtschaft ungeeigneten Gebiete nehmen wieder zu. Die Lebensräume und Nahrungsgrundlagen für Paarhufer und Grossraubtiere, für Jäger und Gejagte, stimmen wieder vermehrt. Dies erklärt auch ein Stück weit die Erfolge bei der Wiederansiedlung des Luchses. Dem ausgeprägten Anschleichjäger sollte es wieder leichter fallen, die notwendigen Beutetiere (rund ein Tier pro Woche) zu erwischen. Wobei, Rehe und Gämsen haben ihr Verhalten ebenfalls angepasst: sie sind scheuer geworden. Sie haben ihre Aktivitäten vermehrt in die Dunkelheit der Nacht verlegt, unsichtbarer für tierische und menschliche Jäger.
Was den Herdenschutz anbelangt: Der WWF Schweiz unterstützt Präventionsmassnahmen, wie die Errichtung von Elektrozäunen und den Einsatz von Herdenschutzhunden. Speziell für die Nordwestschweiz gilt: Die Bestände von Schafen und Ziegen sind bedeutend kleiner als im Alpenraum. Deshalb ist die Landwirtschaft hier für Luchsschäden weniger verletzlich.

Was bleibt sind einerseits der Faktor Mensch mit seinen Freizeitansprüchen und -erwartungen und andererseits die topographischen (Berge und Flüsse) und baulichen Hindernisse (Autobahnen und dicht besiedelte Gebiete), welche die Ausbreitung der Luchse in neue Lebensräume behindern. Luchse selber sind im Vergleich mit Bären oder Wölfen nicht so mobil. Sie leben einzelgängerisch in festen Revieren. Jungluchse bilden ihre Reviere meist angrenzend an die Reviere anderer Luchse. Zudem weisen sie eine geringe Fortpflanzungsrate und eine hohe Jugendsterblichkeit aus. Dies erklärt, wieso ein Luchsbestand sehr schnell von gut zu schlecht kippen kann. Luchsumsiedlungen sind daher noch notwendig und sinnvoll, um neue Paarbildungen zu ermöglichen und um die genetische Basis der Luchspopulation zu verbessern. Kurz, um Stabilität in einen Bestand zu bringen. Denn langfristig wird der Luchs in Mitteleuropa nur überleben können, wenn es gelingt, die vereinzelten Vorkommen zu einer zusammenhängenden Population zu verknüpfen.

Thomas Huber

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